Vor kurzem fuhren beide Deutsch-Leistungskurse der Q1 nach Düsseldorf, um sich das Dramenfragment "Woyzeck" von Georg Büchner im Düsseldorfer Schauspielhaus anzuschauen. Nach der glücklicherweise wenig beeinträchtigten Fahrt trotz des Streiks hatten wir eine Stunde zu freier Verfügung, bevor wir uns im Großen Schauspielhaus trafen. Alle Ränge waren gefüllt und die Stimmung war ausgelassen.
Die aufwendige Bühne bot sehr viele Optionen: Drehen, Bewegung in der Vertikalen, Innenräume, die nur durch eine Projektion nach außen einsehbar waren… – so wurde "Woyzeck" für uns einzigartig und auf neue Weise aufgeführt. Die dramatische, beinahe im Dauermodus laufende Hintergrundmusik schaffte eine besondere Atmosphäre. Die durch den Beamer auf die Frontwand projizierten Bilder und Videos gefielen manchen aus unserem Leistungskurs mehr und manchen weniger. Der Fokus wurde zwischen aktiv auf der Bühne verlaufenden Handlungen und den Projektionen aufgeteilt. Einige filmische Elemente, wie Kamerafahrten in die eben vom Betrachter nicht einsehbaren Räume, ergänzten das Spiel der Schauspieler/-innen. Auf der Bühne befand sich ein sehr großer Kubus, der in vielfältiger Weise außen und innen bespielt wurde. Im Innern befand sich ein als bescheidene Wohnung eingerichteter Raum, aus dem heraus das Spiel gefilmt und auf die Außenfläche des Kubus' projiziert wurde.
Interessante Interpretationen wie die in der Szene mit Hauptmann und Woyzeck kamen überraschend und packten das Publikum mit der Intimität und Intensität der Darstellung. Der Doktor wurde so verkörpert, als wäre er nicht menschlich. Während er sich bewegte, zeichnete er durchgehend geometrische Formen mit den Händen in die Luft oder hing von der Decke herunter – wie ein Flughund. Woyzecks Sohn wurde auf einmal zu einer Tochter, die schon erwachsen war. Offenbar sollte das Kind Woyzecks eine eigene (stumme) Perspektive bekommen, da sie meist nur in Großaufnahme über die Leinwand gezeigt wird.
Der Kurs hat eine gespaltene Meinung, was die Inszenierung angeht. Manche Interpretationen wurden positiv aufgenommen, andere sorgten eher für Verwirrung. Zum Beispiel tauchte im Stück einige Male das Lied "Carol of the Bells" auf und wurde am Ende sogar gesungen, obwohl es thematisch eigentlich überhaupt nicht zu Woyzeck passt. Und wir haben uns gefragt, was dies zu bedeuten hatte. Die inhumane Darstellung des Doktors wurde jedoch sehr positiv aufgenommen, da sie eine interessante Interpretation der Figur ist und dessen, wofür sie steht.
(08. Apr. 2024, Text: Riana Reif & Lukas Kleinhietpaß, Q1/Sar; Fotos: Thomas Rabsch [Schauspiel Düsseldorf])