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Wege und Orte sind nicht alles, aber ohne sie geht nicht viel, und ohne sie geht man, streng genommen, gar nicht. Insofern ist es nur folgerichtig, wenn die Festlichkeiten zum Abitur 2023 unter – oder auf – diesem Topos stehen.

"Gemeinsam auf neuen Wegen" war das Motto des ökumenischen Dankesgottesdienstes, den die Schüler/-innen der Religionskurse unter der Leitung von Pfarrer Meiering, aber höchst eigeninitativ gestaltet haben. Neue Wege zu gehen und zu sehen heißt dabei sicher nicht, den Blick zu viel auf das "Erdenschwere" gerichtet zu haben, zu dem auch der Blick hinunter auf das Smartphone gehört; sondern es heißt, zu sehen, dass der "Himmel" überall die Erde berührt, und der Himmel steht für neue Perspektiven und Horizionte, die man nur mit dem – gelegentlichen – Blick nach oben erfassen kann. Erst so kann ein Leben, denn nur so können Wege gelingen, die man geht und nicht gegangen wird, auf denen man agiert und nicht nur reagiert, auf denen man lebt und nicht nur gelebt wird – so dass wir die zentrale Frage angehen können, zu werden, wer wir sind und sein können und wirklich sein wollen.

Mit dieser höchst existentiellen Überlegung nahmen die 132 Abiturient/-innen ihren Weg von der St.-Georgs-Kirche in die Aula des FWG, um dort nicht nur ihre Abiturzeugnisse in Empfang zu nehmen, nicht nur schöne Töne durch musikalische Einlagen von Chopin über die Beatles bis zu Einaudi, von Gesangs- und Piano-Solisten über die "SingStars" der 5. und 6. Klassen unter der Leitung von Herrn Behrens-Watin bis zum Schulchor "Yellow&Blue" unter der Leitung von Frau Sohn zu hören, sondern um weitere weise, aufmunternde und auch kritische Ratschläge für den Weg nach der Schule zu bekommen, der mit dem heutigen Tage beginnt.

Und die sind nötig, wenn der Schulleiter Herr Arnold Recht hat mit der erfahrungsgestützten Beobachtung, dass es schon komisch sei: Je mehr die Schule aus der und für die Lebens- und Arbeitswelt der Schüler/-innen vermittelt, desto mehr Schüler/-innen wissen – nach eigener Angabe – nicht, was sie nach dem Abitur machen wollen. Ob das vielleicht gerade daran liegt, dass unsere Welt mehr Möglichkeiten und mehr Freiheiten als jemals zuvor eröffnet, und neben dem Segen auch ein "Fluch" ist? Woher soll die Idee kommen, wolang und wohin zu gehen ist? Durch "Reisen durch die Welt" zunächst? Nein, denn die Frage darf nicht sein, was man selbst alles kann – gemäß der Abiturnote und sonstigen formalen Kompetenzen –, sondern was man selbst will – gemäß den eigenen Fähigkeiten und Interessen, um das, was alle Laudatoren natürlich gewünscht haben, zu erreichen, nämlich ein möglichst erfüllendes und stabil zufriedenes Leben. Um herauszufinden, was das ist, wo das liegt und wie es zu erreichen ist, dafür sollte die Schule vor allem zwei Dinge vermitteln: "zu denken und zu lernen". Denn das sind die Basiskompetenzen, mit denen man weiterkommt, aber nicht nur, um seine Möglichkeiten zu sehen oder zu ergreifen, sondern auch zu erkennen, was für ein "Privileg" ein solcher Möglichkeitsspielraum ist, dass er auch "Verantwortung" und "Pflicht" als zweite notwendige Seite der Medaille mit sich bringt, und gerade die Aufgabe, "aus seinem Leben etwas zu machen".

Frau Greiner vom Förderverein des FWG hat deshalb natürlich Recht, wenn sie – sicher stellvertretend für alle – den Abiturient/-innen das Lob ausspricht: "Ihr habt es geschafft!" Aber das ist auch der Aufruf dazu, es weiter zu schaffen und, wie Herr Prof. Wolf von den Alumni an die Hand gibt, die Hoffnung immer zu hegen, seine Ziele zu realisieren, eben indem man schafft und dafür arbeitet. Ob man immer sein Ziel erreicht? Ob das erstrebte Ziel, erreicht oder nicht, tatsächlich auch das beste gewesen wäre? Das kann man vorab gar nicht wissen. Aber wissen kann man mit Günter Kunert: "Ein Horizont zeigt sich immer." Auch wenn die Ausdeutung des Mythos von Ikarus – der Ikone des FWG –, wie im Falle von Kunert, eher pessimistisch sein kann, so ist sie doch von den Stufenberatern Frau Schock und Herrn Handschuh, die die Abiturient/-innen mehr als drei Jahre äußerst fürsorglich begleitet haben, zweifelsohne als Aufmunterung gedacht gerade für die Zeiten des Lebens, in denen sich Wege verstellt haben oder keine Wege und Fortschritte mehr erkennbar zu sein scheinen.

All dem können sich, neben vielen weiteren löblichen wie mitunter auch kritischen Tönen, bestimmt alle weiteren Festredner anschließen – so Frau Zwiehoff stellvertretend für die Eltern, Sophia und Berin stellvertretend für die Abiturient/-innen, und Herr Bergheim als Oberstufenkoordinator, der nicht nur, wie immer, ganz gelassen durch das festliche Programm, sondern auch ganz erfolgreich durch die gesamten und vielen verschlungenen Wege der Oberstufenzeit sicher geführt hat.

(16. Jun. 2023, Sin.)